Interview

CLARA MICHELS (8.März 1880 – 27.März 1944) (Die Informationen folgen dem Buch: „Der Lehrerkreis um Rudolf Steiner in der ersten Waldorfschule“, Freies Geistesleben, Stuttgart 19792.)

Clara Michels, Tochter eines Arztes, hatte fünf Schwestern. Sie studierte Physik und Mathematik in Bonn, Heidelberg und Berlin, u.a. bei Max Planck. Schon in ihrer Studentenzeit begegnet ihr Rudolf Steiner. – Die ein Jahr jüngere Schwester Gertrud studierte Gesang an der Musikhochschule in Köln, musste aber nach Überanstrengung der Stimme eine andere Ausbildung wählen. Sie lernte Gartenbau und Bienenzucht in Berlin. Dort war zu der Zeit auch Clara. – Als beide in Söcking bei München wohnten, kam eine Zusammenarbeit mit den Münchner Theosophen zustande. Im Mysteriendrama „Die Prüfung der Seele“ spielten sie und zwei weitere Schwestern Bäuerinnen in den mittelalterlichen Szenen. – Clara ging als Lehrerin für Mathematik und Physik an das Mädchengymnasium in Hameln. 1922 übernahm Gertrud den Gartenbauunterricht an der neu begründeten Waldorfschule. 1923 wurde Clara als Klassenlehrerin an die Schule berufen. „Sie bewohnte im Haus ihrer Schwester [am Schulgarten] ein Zimmer, das sie tiefviolett hatte streichen lassen. Auf einem mit Rückenlehne versehenen Diwan pflegte sie zu arbeiten, Hefte zu korrigieren und Zeugnisse zu schreiben. Sie war eine stattliche, breitschultrige Erscheinung“ (Paul Matthiessen). „Jeden Morgen, wenn man in die Schule karn und Clara Michels die Hand gab, spürte man: Dieser Lehrerin kannst du dich getrost in die Hand geben. Ihre Augen schauten einen dabei an, als ob sie nur dich und nicht noch 36 andere Schüler erwartet hätten. Eine Welle von Sympathie, ja von Liebe, eine Welle von Vertrauen, von Freude ging von Auge und Hand aus, und man nahm aufgeweckt und erwartungsfroh seinen Platz ein. Die Klasse war froh und eingestimmt und folgte mit Enthusiasmus der Lehrerin. Eigentlich hat sich an dieser Zeremonie von der ersten bis zur achten Klasse nichts geändert. Man fühlte nur, daß einem etwas fehlte, wenn es zu dem morgendlichen Händedruck und In-die-Augen-, In-die-Seele-Schauen nicht kam, weil man verspätet war und Fräulein Michels bereits mit dem Unterricht begonnen hatte. Später erst ist mir bewußt geworden, daß mit dem Blick die Herzen geöffnet wurden und der Händedruck einen Impuls zum praktischen Handeln gab. Fräulein Michels verstand Schwächen ihrer Schüler und konnte sie mit großer Geduld heilen. (…) Bei Monatsfeiern und bei den Weihnachtspielen sahen wir die Lehrerinnen und Lehrer der anderen Klassen auf der Bühne, während Fräulein Michels bescheiden im Saal saß. (…) Lebenstüchtig wurden alle Schüler der Michelsklasse. Der Händedruck hat sie richtiges Handeln gelehrt, der Blick ihre Herzen geöffnet, die Güte und Geduld von Clara Michels ihnen Menschlichkeit beigebracht, der Unterricht freies Denken. (…) Zum letzten Mal sah ich Fräulein Michels, als ich im Krieg zur Marine eingezogen wurde und mit einem Militärtransport den Stuttgarter Hauptbahnhof verließ. Sie gab mir noch einmal die Hand, und mir war wie damals in der ersten Klasse alle Angst vor dem Kommenden genommen“ (Hans-Frieder Willmann).

(c) Lazarus Verlag Monika Neve
 

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