Interview

MN: Hast du mal darüber nachgedacht, weshalb dein Schicksal dich in eine solche Situation geführt hat, wo du hättest Mut zeigen müssen, um als Mensch integer leben zu können?

CF: Ja. Und ich kam darauf, dass dieses Muster bei mir schon uralt ist und dringend einer Änderung bedarf. So erlebte ich die Wirkungen der Vergangenheit auf spätere Leben. Und durch den bewusstseinsmäßigen Angang kann diese Schwäche nun hoffentlich endlich überwunden werden. Denn sie entstand durch Ängste, die in früheren Inkarnationen entstanden sind, wo mich das Aussprechen der Wahrheit in missliche Situationen brachte, die Verfolgung und Flucht zur Folge hatten. Das wiederum war bereits die Folge noch früherer Muster, wo ich selbst nicht in der Umgebung sein wollte, in die das Schicksal mich gestellt hatte. Das ist ein Thema, das du in vielen meiner Geschichten (siehe dazu den Nachtrag nach dem Interview, Red.) in irgend einer Form wiederfindest.

MN: Kannst du mal ein konkretes Beispiel beschreiben?

CF: Ich hatte zum Beispiel im 10. Jahrhundert nach Christus eine Inkarnation in einem mongolischen Reitervolk gefunden, nachdem ich bereits in früheren Leben den Christus-Impuls aufgenommen hatte. Das Leben in jenem Volk bestand u.a. eben aus Beutefeldzügen, wo man nicht gerade zimperlich mit dem Leben anderer Menschen umging. Als dann der Anführer, dessen Sohn ich war, selber in einem solchen Kampf umkam, hat mich das wachgerüttelt. Ich wollte solche Beutezüge nicht mehr unternehmen. Das jedoch wurde selbstverständlich von mir, als Nachfolger, erwartet. Da ich meine Skrupel nicht artikulieren konnte und ja auch keine Alternativen hatte, überhaupt allein war mit meinen Empfindungen, war das Ergebnis, dass ich abgesetzt und vertrieben wurde. – Ich bin dann in einem buddhistischen Kloster gelandet, wo ich zwar für meine eigene Entwicklung einen geeigneteren Ort gefunden habe, aber eben nicht in meiner angestammten Umgebung wirken konnte. – Solche Erlebnisse verursachen natürlich Ängste und Hemmungen. Und man entwickelt dann Vermeidungsstrategien, um nicht immer wieder dieselben schmerzhaften Erlebnisse zu haben.

Aber um auf deine Frage nach den Konsequenzen aus diesen karmischen Erkenntnissen zurückzukommen:
Zu den ersten Konsequenzen für mich gehörte die Einsicht in die Notwendigkeit der Karmaarbeit, so wie ich sie von Heide gelernt habe und seitdem auch mit anderen Menschen ausübe.
Anfangs hatte ich noch die naive Vorstellung, ich könnte diesen Impuls der Karmaerkenntnis wenigstens jetzt noch in die Stuttgarter Schule einbringen. Aber das war wohl eine Illusion. An den wenigen Stellen, wo es überhaupt Gelegenheiten gab, in privaten Gesprächen, mit Lehrern darüber zu sprechen, stieß ich nur auf Unverständnis. Ich wurde ja dort behandelt wie eine „dumme Mutter“, die sowieso von Waldorfpädagogik keine Ahnung hat..!

Dann stellte sich mir konsequenterweise die Frage bei unserem Umzug nach Schleswig-Holstein, ob ich meine Aufgabe noch einmal innerhalb einer Waldorfschule als Lehrkraft suchen sollte. Allerdings waren meine damaligen Bewerbungen eher halbherzig. Denn eigentlich hatte ich einen Horror davor, und war auch ganz froh, als es anfänglich nicht klappte. – Erst vor zwei Jahren, als ich übrigens in demselben Alter war wie Clara Michels als sie an die Waldorfschule kam, war ich innerlich soweit, dass ich es wirklich versuchen wollte. Das kam auch mit einer äußeren und gleichzeitig inneren Notwendigkeit fast wie zwanghaft auf mich zu, so dass ich dem nicht ausweichen sollte.
In der Waldorfschule dann geriet ich ziemlich bald von ganz allein in eine Situation, wo ich keine andere Wahl hatte: Ich musste meine Rückzugstendenzen überwinden, mich gegen Unrecht zur Wehr setzen und Stellung beziehen – oder schweigen, das Unrecht hinnehmen oder eben zu gehen… Ganz klar und bewusst entschied ich mich für die erste Möglichkeit. Ich habe jede Gesprächsgelegenheit genutzt, um mein eigentliches Anliegen so deutlich wie möglich zu artikulieren. Ich versuchte immer wieder, auf die Notwendigkeit hinzuweisen, am Karma zu arbeiten, damit die entsprechenden Knoten und sozialen Probleme gelöst werden könnten. Auch auf die Wichtigkeit der Zusammenarbeit der verschiedenen karmischen Strömungen wies ich mehrfach hin. – Man wollte keine Gespräche mehr mit mir und schließlich bekam ich eine Kündigung.
Im Rückblick kann ich sagen, dass ich trotz äußerlichen Misserfolgs für mich persönlich einen ganz großen Durchbruch – eine große Befreiung – erreicht habe. Es war wie eine rückwärts gespiegelte Aufarbeitung des damaligen Lebens. –
Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, dass sich ein Karmagesetz bestätigt hat, wonach eine Aufarbeitung früherer Problematiken dieselbe Anzahl an Monaten benötigt, wie es früher Jahre gedauert hat. Da habe ich im Nachhinein eine verblüffende Entdeckung gemacht: Clara Michels war 15 Jahre lang an der Stuttgarter Waldorfschule (1923 bis zur Schließung der Schule). Im jetzigen Leben war ich als Schülerin an meiner ersten Waldorfschule (ebenfalls in Stuttgart, aber nicht an der Mutterschule) genau 15 Monate. Damals war mein Vater genauso alt wie ich jetzt und in einer ähnlichen Situation. Wir zogen nach diesen 15 Monaten aus Stuttgart weg nach Krefeld (vorher waren wir am Bodensee). – Später verbrachte ich nochmals genau 15 Jahre in Stuttgart 1985 – 2000), und erlebte die erste Waldorfschule als Mutter. Und die letzte Runde der Aufarbeitung dauerte wiederum 15 Monate, jedenfalls bekam ich auf den Tag genau nach 15 Monaten die Kündigung.
Obwohl das für mich zu diesem Zeitpunkt ganz überraschend kam, hatte ich kurze Zeit später das Gefühl, dass das alles in Ordnung ist und jetzt endlich eine ganz schwere Last von mir abfällt! Das ging erstaunlich schnell, dass ich alles loslassen konnte, ohne Groll und Bitterkeit, ohne Resignation oder Frust, dass ich nicht verstanden worden bin, sondern eher mit einer Erleichterung und Freude darüber, dass die jahrelang empfundene Belastung fast schlagartig von mir genommen wurde. Ich konnte auch akzeptieren, dass meine Wirksamkeit sich möglicherweise auf eine ganz andere Ebene verlagert hat als ich mir das ursprünglich vorgestellt hatte. Die größte Errungenschaft war aber das Sprengen meiner inneren Fesseln und dem Standhalten und nicht ausweichen wollen… Nun fühle ich mich ganz frei, wie ein Schmetterling, der gerade den Kokon verlassen hat und der bestimmt nicht wieder rein will – weil so etwas ja auch gar nicht mehr geht. – Ich kann aber dieses alte „Gefängnis“, die ganzen Probleme, die es neben allem Schönen in der Vergangenheit gab, innerlich segnen und dankbar sein, dass ich mich in dieser Hülle entwickeln konnte. Ich brauche meine Wurzeln jetzt weder verleugnen, noch daran festzuklammern. Für meine weitere Wirksamkeit ist jedenfalls klar, dass ich keine faulen Kompromisse mehr eingehen möchte und dass ich mich nichts und niemandem mehr verpflichtet fühlen werde als mir selbst, das heißt: meinem eigenen Gewissen. – Und dass ich jede Gelegenheit nutzen möchte, das auch zu artikulieren. Ob ich dabei verstanden werde oder Aggressionen ernte, spielt jetzt keine Rolle mehr.
Ich danke dir, Monika, dass du mir durch deine Bitte um ein Interview und deine Fragen eine solche Gelegenheit zu einer konkreten Darstellung karmischer Bezüge auch in der anthroposophischen Bewegung betreffend gegeben hast.

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MN: Und ich danke dir sehr für den Mut, ohne Umschweife auch den Namen zu bekennen, weiß ich doch, welche Überwindung eigentlich dazu gehört. Danke!

Können fremde karmische Erinnerungen auch für uns wichtig sein?

Nachdem Christiane Feuerstack nun frei über Rückerinnerungen an frühere Leben sprach, soll noch nachgetragen werden, dass die Beiträge in vergangenen Lazarus-Heften, wo sie individuelle Geschichten von Persönlichkeiten in anderen Kulturen (unter anderem in Ägypten und Griechenland) veröffentlichte, eigene karmische Rückerinnerungen darstellten*. Über das Einzel- und Gruppenschicksal hinaus sind solche Rückerinnerungen nach Ansicht der Redaktion sehr wichtig, um die vergangenen Kulturen mehr und mehr quasi „aus erster Hand“ kennen zulernen.
Auch Rudolf Steiner stellte die Entwicklungsgeschichte der Menschheit ja nicht aus äußeren Zeugnissen dar, sondern suchte sein geistig Erforschtes mit demjenigen zu vergleichen, was durch geschichtliche Überlieferungen oder Kulturdenkmäler noch vorhanden war.
Andererseits muss man sich darüber klar sein, dass schon Berichte aus unserer Zeit in vielem Übereinstimmung hätten (zum Beispiel in der Tatsache, dass wir in einer Zeit bestimmter technischer Möglichkeiten leben), aber in vielem völlig abhängig von anderen Fakten sind: unserer Aufnahmefähigkeit / Bildung, der geographischen Lebenssituation u.v.w. mehr. Dabei ist in der Zeit des „globalen Bewusstseins“ vieles in unserer Kenntnis, was in früheren Zeiten (Unüberbrückbarkeit von Entfernungen z.B.) völlig außerhalb des Gesichtskreises der nicht miteinander in Kontakt stehenden Menschen lag.
Darum wird es sinnvoll sein, gerade für Erinnerungen bestimmte Kulturkreise, Zeiten usw. betreffend, in einen Austausch zu kommen unter denjenigen, die dazu in der Lage sind, um einseitige Fixierungen und Vorstellungen zu meiden, auch für das Publikum. – Umso schöner finde ich es darum, dass Christiane Feuerstack – und sie steht da nicht allein – den ihr zugänglichen Teil dieser kulturell und menschlich eindrucksvollen Erinnerungen mit anderen Menschen in den Veröffentlichungen teilt.
-Monika Neve

*Andere Erfahrungen aus früheren Erdenleben von Christiane Feuerstack finden sich in Form von kleinen Erzählungen in den LAZARUS-Jahresbüchern von 1999 – Ägypten, von 2000 – Griechenland, beide vorchristliche, und von 2001 – Dalmatien, nachchristliche Zeit. Außerdem enthalten die Bücher 2001 und 2002 noch eindrucksvolle satirische Erzählungen: „Sonderbare Verwandlungen “ und „ Sternauge „.

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