Das Geheimnis der Goldmarie

Das Geheimnis der Goldmarie

Arbeit, Geld und Karma
-ein Werkstattgespräch

Herausgegeben von
Christiane Feuerstack

 

 

Das Geheimnis der Goldmarie (Leseprobe)

 

Was wäre wohl aus der Goldmarie geworden, wenn sie ein bedingungs-loses Grundeinkommen zur Verfügung gehabt hätte? Hätte sie auf der faulen Haut gelegen wie ihre Schwester, die Pechmarie? Oder hätte sie ein selbst bestimmtes Leben ohne diese entwürdigende Schufterei im Hause ihrer Stiefmutter geführt und wäre ihren Neigungen nachgegangen?

In unseren Märchenbildern sprechen sich tiefgründige Wahrheiten aus. In dem Märchen von der Frau Holle werden urbildhaft geistige Gesetze sichtbar. Nicht nur die vordergründige Moral, dass Fleiß belohnt und Faulheit bestraft wird, wird hier gezeigt. Es geht um eine innere Haltung des Dienens, der Selbstlosigkeit, um eine Haltung, die nicht fragt: „Wozu soll ich das tun? Was bringt mir das? Warum ausgerechnet ich?“ Die Goldmarie ist in keinem Augenblick auf den zu erwartenden Lohn ausgerichtet. Sie tut, was verlangt wird, zuerst von den Menschen, von denen sie abhängig ist und ausgebeutet wird, und danach aufgrund dessen, dass sie sieht und hört, was die Umwelt verlangt. Die Äpfel sind reif, das Brot ausgebacken. Sie packt aus freiem Antrieb zu, ohne zu fragen, wer hier eigentlich zuständig sei, und ohne sich etwas mitzunehmen oder zu erwarten.

Zwischen dem Gehorchen müssen gegenüber ihrer Stiefmutter (ein Symbolbild für die steife, verhärtete Materie) und dem freiwilligen Gehorchen ihrer inneren Stimme gegenüber liegt der verzweifelte Sturz in den Brunnen. Sie hatte nichts mehr zu verlieren. Sie musste es wagen.

Dank ihrer Fähigkeiten, die sie durch harte Arbeit und geduldiges demütiges Dienen bei der Stiefmutter erworben hat, besteht sie auch in der anderen Umgebung, in der es auf die freiwilligen Impulse zum Dienst an der Welt ankommt. Durch das eigene Leid ist sie sensibilisiert worden für die Not der Umwelt. Sie nimmt wahr, was gebraucht wird und hilft mit, dass es „schneit in der Welt,“ dass Reinheit und Klarheit die Erde bedecken.

Das Schicksal der „Pechmarie“ ist hinlänglich bekannt. Sie hatte nur den Verdienst im Kopf, nicht den Dienst. Wo sie nicht den unmittelbaren Nutzen einsieht oder sogar Unannehmlichkeiten für sich befürchtet, dass sie sich schmutzig machen oder ihr ein Apfel auf den Kopf fallen könnte, verweigert sie den Dienst. Sie geht sogar so weit, sich aus Berechnung selbst Leid zuzufügen, sich in den Finger zu stechen, damit die Spule blutig aussieht, um ihr eigennütziges Ziel zu erreichen. Der „Lohn“ entspricht dann sicher nicht dem, was sie sich erhofft oder berechnet hatte. Aber sie hat im wahren Sinn des Wortes „Erfolg“ gehabt, nämlich indem etwas „erfolgt“ ist aus ihren Taten.

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